Wir trafen Gott an der Kasse

Keine Herberge, keine Hirten auf dem Felde. Das Kind war einfach da. So wie wir einfach da waren. Und Herodes trachtete dem Kind nach dem Leben, so wie unser Leben schon immer bedroht war. Und dann die Flucht nach Ägypten. Ausgerechnet.

Und dort trafen wir Gott. In Ägypten. Er arbeitete als 450-Euro-Kraft bei Rewe an der Kasse. Im Hintergrund lief „Last Christmas“. Sie war allein erziehend und hatte den Exodus hinter sich. Herodes hieß heute anders, aber er hatte sie fliehen lassen. Alles war besser als dieser Herodes. Und das Kind hatte sie mitgenommen. Gott klingelte an die Türen der Häuser in unseren Straßen. Er brachte die Amazon-Prime-Pakete. Und Gott war ganz klein in den Menschen drin. Und immer weiter hatte er sich zurückgezogen, bis wir ihn fast nicht mehr finden konnten. Da wartete er auf seine Rückkehr.

Matthäus rumpelte einfach los mit seiner Geschichte. Und Gott war das Kind. So wie kleine Kinder waren, die wir anschauten und die uns staunen ließen. Die uns mit ihren Augen ansahen und uns ihre ganze Seele zeigten. Die so verletzlich waren. Sie mussten geschützt werden. Gott musste geschützt werden. Er war zerbrechlich. Und wir waren zerbrechlich mit ihm.

Die Menschen spürten es, als sie sich zu ihm herunter beugten, dass die Knie knackten und die Muskeln sich spannten. Das Kreuz tat uns weh. Und wir ahnten, wohin der Weg dieses Kindes gehen würde. Aber die Geschichte war noch ganz am Anfang und wir wollten an der Hoffnung festhalten. Wir spürten es, tief in uns drin, dass die Verkäuferinnen mit den Weihnachtsmützen und den Elchgeweihen an der Fleischtheke nicht Weihnachten waren und dass das nicht das Leben war.

Wir spürten die Sehnsucht nach dem Leben. Diese Sehnsucht, die der Stern war, der uns leiten sollte zu dem Kind, das der König war.

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