Im Juli 2017 fand in Hildesheim eine großartige Veranstaltung statt: Das ‚Ekklesiolab‘, was mit Kirchenlabor wohl ganz gut übersetzt ist. Es wurde vom ökumenischen Büro Kirche2 mit Sitz in Hannover auf die Beine gestellt.
Fünf Tage lang machten sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern Gedanken zur Kirche von morgen. Zur Einführung waren alle Teilnehmenden aufgefordert, ihre theologischen Schätze in Form einer Erfahrung der letzten Zeit zu teilen.
Ein Teilnehmer berichtete von katholischen Kollegen aus den Philippinen. Diese wurden zum Abschluss einer gemeinsamen Zeit gebeten, zu sagen, was ihnen Kritisches aufgefallen sei. Die Gäste antworteten mit einer Gegenfrage: „Wie macht ihr das mit der Freundschaft.“ Warum: Weil Jesus sagt, ich habe euch Freunde genannt (nach Joh. 15, 9 – 17). Seine eigene Beobachtung sei, so der Teilnehmer: „Wo dieser Geist der Freundschaft nicht da ist, da passiert auch wenig.“
Die Frage hat es in sich, denn im Fehlen dieser Freundschaft liegt wohl eine große Gefahr, die mit den Strukturen und Machbarkeit in den Kirchen zu tun hat. Wo mit viel Geld oder Struktur etwas ‚ge-macht‘ wird, muss es selbstverständlich nicht zwingend schlecht sein.
Oft darf es aber auch nicht schlecht sein. Da, wo viel Geld/Macht/Struktur im Einsatz ist, herrscht nicht selten eine Art Erfolgszwang. „Es ist groß, wir haben es gemacht, darum ist es gut“, so könnte der Reflex umschrieben werden, der die Großkirchen, aber auch viele kleinere Gemeinschaften lähmt.
Bei dieser Lähmung fällt auf, dass die Struktur im Mittelpunkt steht – am Ende heißt das eben oft Geld. Allzu oft ist es die Ökonomie, die den Sinn bestimmt, auch in christlichen Gemeinschaften. Und dann ist die Gefahr groß, dass Einzelne auf der Strecke gelassen werden. Das tun die Beteiligten meistens ohne es zu bemerken und oft genug mit dem Gefühl, etwas Großartiges zu tun.
Wenn der oder die Einzelne auf der Strecke bleibt, weil „die Struktur“ oder „das Projekt“ wichtiger ist, wird Struktur als Ausgrenzung erlebt. Und Ausgrenzung aus einer Gruppe gehört mit zu dem Schlimmsten, das Menschen erleben. Wer Ausgrenzung nicht ertragen kann, passt sich an. Darum hat Machbarkeit immer auch etwas mit Macht zu tun.
Der in den Evangelien überlieferte Jesus handelt anders. Seine Handlungen wenden sich häufig an einzelne Personen und das oft aus der eigenen Gruppe heraus. Jesus durchbricht die Abgeschlossenheit seines Jüngerkreises. Nicht selten zum Erstaunen oder Widerwillen der Umstehenden und der eigenen Jünger wendet er sich dabei den Randfiguren zu und befreit sie aus ihrer unfreiwillig erlebten Situation der Ausgrenzung. Jesus hebt dabei das Gefälle der Macht auf.
Freundschaft lässt sich also (auch) als Gegenteil von Ausgrenzung und Macht beschreiben. Angewandt auf die Ausgangsfrage „Wie macht ihr das mit der Freundschaft?“ ergeben sich Anfragen an die Grundlagen des Handels von Kirchen und christlichen Gemeinschaften.
In diesen Tagen gibt es viel Händeringen um die Zukunft der Kirche. Dabei muss das Rad gar nicht neu erfunden werden. Angefangen bei der Überlieferung von Jesus bis heute waren es immer wieder genau jene Bewegungen, die Armut und Machtverzicht propagiert und gelebt haben, die der Kirche Erneuerung und auch Sinn brachten. Und genau dort hinein passt auch die Freundschaft.
Freundschaft beginnt im Kleinen, ist nicht käuflich, lässt sich nicht institutionalisieren und ist nur ohne Machtgefälle denkbar. Freundschaft findet immer auf Augenhöhe statt. Und so wie Jesus seine Freunde kannte, die nicht gerade Glaubenshelden waren, setzt Freundschaft Solidarität voraus und ein Trotzdem.
„Freunde sind Menschen, die dich mögen, obwohl sie dich kennen“ (gefunden auf Twitter).